Aktivkohle in der Abwasserreinigung – ein teurer Irrweg?

05.03.2025

Aktivkohle gilt als wirksames Mittel zur Entfernung von Mikroschadstoffen aus Abwasser. Doch der Schein trügt. In diesem Interview beleuchtet Dr. Reinhard Voigt die ökologischen und wirtschaftlichen Nachteile dieser Methode und zeigt auf, welche nachhaltigen Alternativen für die Abwasserreinigung zur Verfügung stehen.

 

Aktivkohle wird häufig als Lösung zur Entfernung von Mikroschadstoffen aus Abwässern vorgeschlagen. Warum ist dieser Ansatz aus Ihrer Sicht problematisch?

Dr. Reinhard Voigt: Aktivkohle mag auf den ersten Blick wie eine effektive Methode erscheinen, um Mikroschadstoffe aus dem Abwasser zu entfernen. Doch wenn wir uns die ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen anschauen, wird schnell klar, dass der großflächige Einsatz in Klärwerken mit erheblichen Nachteilen verbunden ist. Der immense Rohstoffverbrauch, der hohe Energiebedarf für die Herstellung sowie die zusätzlichen Kosten für Entsorgung und Verbrennung zeigen, dass dieser Ansatz nicht nachhaltig ist.

 

Können Sie die Zahlen dazu genauer erläutern? Wie hoch ist der Ressourcenverbrauch tatsächlich?

Dr. Reinhard Voigt: Nehmen wir ein Beispiel aus dem ZeroTrace-Projekt: Um eine durchschnittliche Konzentrationsreduktion von 80 % für Mikroschadstoffe zu erreichen, werden rund 30 bis 40 Gramm Pulveraktivkohle (PAK) pro Kubikmeter Abwasser benötigt. Hochgerechnet auf große Kläranlagen bedeutet das einen jährlichen Bedarf von 94.000 Tonnen Aktivkohle allein für Deutschland. Die genannten 94.000 t Aktivkohle sind notwendig, wenn alle Kläranlage der Größenklassen 5 und 4 in Deutschland mit Aktivkohle für die 4. Reinigungsstufe ausgerüstet würden.

 

Dafür müssen rund 280.000 Tonnen Steinkohle oder die 15-fache Menge an Holz oder Kokosschalen verarbeitet werden. Der Energieaufwand für die Aktivierung der Kohle beträgt etwa 85 Gigajoule pro Tonne Aktivkohle, was in Summe einen zusätzlichen Steinkohlenverbrauch von 266.000 Tonnen pro Jahr erfordert. Zusammengerechnet sprechen wir von einem Gesamtbedarf von 546.000 Tonnen Steinkohle jährlich – eine unglaubliche Menge.

 

Welche Auswirkungen hat das auf die CO₂-Bilanz?

Dr. Reinhard Voigt: Die Zahlen sind erschreckend. Die Herstellung von Aktivkohle verursacht rund 171.000 Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr – nur für den Betrieb der zusätzlichen Reinigungsstufe in deutschen Kläranlagen der höchsten Größenklassen. Dabei sind weder Transport- noch Entsorgungskosten berücksichtigt.

 

Und was passiert mit der Aktivkohle nach ihrer Nutzung?

Dr. Reinhard Voigt: Genau das ist ein weiteres großes Problem. Aktivkohle bindet zwar Mikroschadstoffe, doch sie löst sie nicht auf. Die beladene Aktivkohle muss entsorgt werden, oft durch Verbrennung – was wiederum Zusatzkosten und CO₂-Emissionen verursacht. Mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung wird es zunehmend schwieriger, geeignete Verbrennungsanlagen zu finden. Wir stehen hier also vor einer doppelten Herausforderung: hohe Kosten und keine wirklich nachhaltige Lösung.

 

Gibt es umweltfreundlichere Alternativen zur Aktivkohle?

Dr. Reinhard Voigt: Ja, es gibt vielversprechende Ansätze. Ein Beispiel ist der Einsatz von enzymatischen Reaktionen in einem kaskadierten Membransystem. Dieses Verfahren könnte Mikroschadstoffe gezielt abbauen, anstatt sie nur zu binden und zu verschieben. Die Forschung hierzu ist noch im Gange, aber die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass diese Technologie eine effizientere und ressourcenschonendere Alternative darstellen könnte.

 

Wie sollte die Diskussion um die vierte Reinigungsstufe in Klärwerken Ihrer Meinung nach weitergeführt werden?

Dr. Reinhard Voigt: Wir müssen weg von rein technischen Lösungen, die nur auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, aber langfristig hohe Kosten und Umweltprobleme verursachen. Es braucht einen nachhaltigen Ansatz, der sowohl ökologisch als auch ökonomisch tragfähig ist. Anstatt Milliarden in eine flächendeckende Aktivkohlenutzung zu stecken, sollten wir gezielt in innovative Verfahren wie enzymatische Reinigung investieren.

 

Was fordern Sie konkret von Politik und Behörden?

Dr. Reinhard Voigt:  Die aktuellen Diskussionen über eine verpflichtende vierte Reinigungsstufe müssen um eine differenzierte Kosten-Nutzen-Analyse ergänzt werden. Statt pauschale Lösungen zu fordern, sollten Pilotprojekte für alternative Methoden gefördert werden, um nachhaltigere Konzepte zu entwickeln.

 

Fazit:
Die großflächige Nutzung von Aktivkohle zur Abwasserreinigung bringt erhebliche ökologische und wirtschaftliche Nachteile mit sich. Angesichts hoher CO₂-Emissionen, steigender Kosten und ungelöster Entsorgungsfragen ist es dringend an der Zeit, nachhaltigere Alternativen wie enzymatische Reaktionen in Kombination mit Membransystemen zu erforschen und zu fördern.

 

Dr. Reinhard Voigt

Head of R&D

Phone: +49 3621 73 77 922

Email: r.voigt@wta-unisol.com

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